Das Kinderfest.

Ich sitze vor meinem PC und schreibe.

 

Endlich mal wieder.

 

Ich habe meinen „RocketBeans TV – Nun.“ Pullover an.

 

Er ist super gemütlich.

 

Und die zu große, zu lange und durchlöcherte Jogginghose.

 

Sie ist super gemütlich.

 

Ich habe Tee aufgesetzt – den guten Holunderblütentee, der fast so lecker schmeckt wie der Lindenblütentee, der mir vor einiger Zeit ausgegangen ist.

 

Und ich habe eine Duftlampe angemacht mit dem ätherischen 1001 Nachtöl.

Keine Ahnung, was da drin ist, aber es riecht ganz gut.

 

Ich fange an mich zu entspannen und genieße das sehr.

 

Der Regen prasselt auf mein Dachfenster und ich fühle mich wohlig warm und höre sonst nur das Rauschen meines altersschwachen PCs und das Klackern der Tastatur.


 

Das Kinderfest.

 

Ich war mir nicht sicher, wie ich darüber schreiben soll und bin es jetzt immer noch nicht: Witzig? Mit Galgenhumor? Sachlich, als Organisationsanleitung? Persönlich? Mit allen Auf und Abs des emotionalen Planens? ...

 

 

Ich habe vor vermutlich rund einem Jahr bei der Hauptversammlung des Kreisverbandes meines Vereins gehört, dass es auch, wie in meiner Heimat, hier dieses spezifische Kinderfest gibt.

Es findet jährlich statt und jedes Jahr in einem anderen Ortsverein.

Leider musste es 2017 ausfallen, weil sich niemand gemeldet hatte, der es organisieren wollte.

 

Weil ich als Kind gerne in meiner Heimat an diesem Fest teilgenommen hatte, habe ich es als Jugendliche auch unterstützt, wenn gerade Helfer gesucht wurden und dachte mir bei der Frage, wer es denn im nächsten Jahr ausführen wollted, als junge und naive 22jährige: Hey! Kein Problem! Du suchst dir einfach jemandem aus deinem Verein, der die Leitung übernimmt und sagst „Ich bin die Co-Leitung! Wenn du irgendwelche Fragen hast, oder etwas brauchst, dann komm gerne zu mir, aber du leitest das Ding! Super gut von dir!“ und dann kannst du auch dem Kreisverband anbieten dieses Kinderfest zu übernehmen.

Gedacht, gesagt.. und naja.. da die Arbeit mit Kindern in meinem Ortsverein eher semi vorhanden ist, konnte ich auch keine motivierte Leitung für das Fest finden und ich hatte das Zeug an der Backe.

 

Also zweimal tief durchgeatmet und das erste Treffen mit den ehrenamtlichen Kinderbeauftragten des Kreisverbandes, unserem Hauptamtlichen und mir organisiert.

 

Das Treffen verlief gut!

 

Die Feldküche, die Ballons und den/die Prediger/in für den Gottesdienst, sowie Sani und Biertischgarnituren wollten der Kreisverband übernehmen, weil sie das jedes Jahr so machen.

Ok. Kein Problem.

Dann muss ich ja nur 12 Spielestationen in doppelter Ausführung mit je 2 Mitarbeitenden, einen Ort finden und buchen, Getränke bestellen, eine Band für den Gottesdienst suchen, sowie Moderation und den Ablauf machen und Mitarbeiter finden, die dann verkaufen, moderieren, organisieren, durchführen, vorbereiten, gestalten, planen, aufbauen, abbauen, spielen, singen, tanzen, ….

Oh. Doch ein bisschen viel.

Aber kein Problem.

Es ist noch sehr viel Zeit.

Etwa 7 Monate.

 

Mein Hauptamtlicher und ich fanden auch sehr schnell einen geeigneten Ort, der an dem Tag frei war, an dem man sowohl nicht mitten in der Stadt war, aber auch nicht im Wald, wegen des Ballonstarts (← Heliumballons: Wessen am weitesten fliegt bekommt im Folgejahr einen Preis. Es hängen Adresskärtchen dran.) einen großen Raum für bis zu 300 Personen hatte, mit Bühne, mit Starkstromanschluss und Wasseranschluss, und nebendran eine Fläche für 24 Spielestationen.

.. also die Suche hat nur etwa einen Monat gedauert.

Nach einer Besichtigung und Absprache mit den Vermietern (der Stadt Gießen), wurde die Örtlichkeit gebucht.

 

Ein weiteres Treffen stand an, selbe Konstellation:

Es gab Schwierigkeiten eine/n Prediger/in zu finden, aber es war ja noch viel Zeit (5 Monate).

Ansonsten lief von Seiten des Kreisverbandes alles gut. Sie waren routiniert, hielten sich an alle Absprachen, alles lief hier nach Plan.

Auch das Ordnungsamt hatte sein ok gegeben, sodass wir die Spielestationen auf Wiesen der Stadt durchführen durften.

 

Ich fand keine Mitarbeitenden.

Das hatte mehrere Gründe:
Bei uns ist wenig Arbeit mit Kindern gerade vorhanden also gibt es nicht so viel Leute, die richtig Bock darauf haben dort mitzuarbeiten. Und es war noch sehr viel Zeit dorthin – lange Planungszeiten liegen unseren Teilnehmenden, meist Jugendlichen – nicht so sehr. Und im Verein sind die allermeisten wirklich zeitlich ausgelastet.

Ok. Kein Problem. Ist ja noch lange Zeit.

Einfach alle mal anfragen (Liste erstellen, Mails schreiben, persönlich ansprechen, anrufen, …) und notieren, wer mit vielleicht, ja oder nein antwortet, um nicht alle damit zu nerven.

 

Ich fragte viele.

Ich bekam wenige Antworten.

Ich bekam noch weniger positive Antworten.

Aber kein Problem. Ist ja noch lange Zeit.

 

Nach und nach kamen mehr Treffen an denen nicht nur das Thema erarbeitet wurde, sondern auch die einzelnen Ideen für die Spielstationen. Und die Vorgaben für die weitere, detailliertere Ausgestaltung. Denn: Jede Station musste es doppelt geben (also Januar A und Januar B, Februar A und Februar B, ...), weil wir mit so vielen Kindern rechnen mussten.

Die ganze Veranstaltung lief nämlich ohne Anmeldung.. was Planungsunsicherheitsgefühle bei mir auslöste.

Außerdem musste die Station auf etwa 4min begrenzt sein, für 6-8 Kinder gleichzeitig (also in Gruppen) und von 0-30 Punkten bewertbar sein, da am Ende eine Siegerehrung stattfinden sollte.

Das Planen der Stationen delegierte ich dann nach und nach und nach und nach.. … … (kein Problem, es ist ja Zeit.) an einzelne Mitarbeitende, die sich jeweils noch 2-3 weitere Helfer dazuholen sollten.

Also: Person A (Stationsleitung) nimmt sich bspw. die Januarstation, zu der es eine grobe Spielidee gibt, schneidert die auf die Angaben zu, gestaltet sie kindgerecht und sucht sich noch weitere Personen, um dem Andrang an Kindern gerecht zu werden und nicht immer mit 100% auf alles gleichzeitig achten zu müssen.

 

Ich war aufgeregt.

Noch nie hatte ich etwas derartig großes geplant.

Ich habe schon Konzerte durchgeführt bei denen Chor, Band, Tanz und Theater gleichzeitig auf der Bühne herumwerkelten, ich habe Arbeitsverträge für Arbeitnehmer gegengezeichnet, ich habe für Sommerfreizeiten für hunderte von Euros eingekauft und auch für 30 Leute mehrere Male Wochenendfreizeiten geplant und durchgeführt.

Aber bis zu 400 Kinder, einen ganzen Tag, der bei schlechtem Wetter kaum durchführbar sein wird, ohne Anmeldung.. das hatte ich noch nicht.

Und auch keine Horde (etwa 30) an ehrenamtlichen Mitarbeitern organisiert und angeleitet, damit ein halbwegs geregelter Vorbereitungs- und Ablaufplan erstellt und durchgeführt werden konnte.

Ich war aufgeregt.

 

Jetzt waren es plötzlich nur noch wenige Wochen bis zur Veranstaltung und es ging ans engere Planen: Zeitabläufe wurden erstellt, die Presse für einen Artikel und die Bürgermeisterin für ein Grußwort angeschrieben, ein Dekoteam organisiert, und Dinge aufgeschoben, weil ich ja auch noch nebenher studierte.

Viel studierte.

Und anfangen musste zu arbeiten.

Naja.

 

Und plötzlich stellt man eine Woche vor der Veranstaltung fest: Die Saalbuchung hat nicht so funktioniert, wie gedacht, weil auf dem Vertrag unbestuhlt steht, aber wir eindeutig Stühle in diesem Raum brauchen.

Also schnell nochmal mit den Kooperationspartnern alles abgeklärt, dass man das selbst macht.

Dann Getränke bestellt. Die nicht mehr geliefert werden können, weil es zu spät angesagt war, also selbst abholen.

Außerdem hatte ich keine Band bekommen, also die Lieder selbst aussuchen, runterladen, Bewegungen überlegen, Videos suchen, damit die Kids trotzdem nicht a capella, oder ohne Lieder gesungen zu haben nach Hause fahren müssen.

Nochmal mit allen Mitarbeitenden reden, dass sie wissen, was zu tun ist, ihnen hinterherlaufen, weil manche ihre Stationen noch nicht vorbereitet hatte, dann werden welche krank, dann merken welche, sie schaffen es doch nicht und alles wird zu einem großartigen stressigen Ding auf die letzten Tage.

Sodass ich tatsächlich in dieser letzten Woche mich nur diesem Kinderfest gewidmet habe, anstatt meine Hausarbeiten zu schreiben, die ich jetzt komplett nächste Woche machen werde.

Ja ok.

Ich hatte auch noch eine Vorstandssitzung, Therapie, Arbeit und hab meine Küche renoviert.. aber ich hab mich nur dem Kinderfest gewidmet.

Außer, dass ich auch noch ein Bewerbungsgespräch hatte.

 

Ich war aufgeregt, ich war gestresst: Leute sagen ab, Leute sagen zu, Leute sagen, dass man das so nicht machen kann, aber anders machen muss, Leute sagen, man macht das super, man vergisst etwas und Leute sagen, „man ist das ärgerlich, ich bin dafür, dass das Treffen jetzt kurzfristig abgesagt worden ist, extra hierher gefahren?!“.

Ich war aufgeregt und hatte einiges verpeilt zu machen und anderes schon sehr gut gemacht.

 

Sonntag, heute, fand das Fest statt.

Und die Spielestationen sollten draußen sein.

Es regnete.

Nicht nur leicht.

 

Wir hatten uns im Vorfeld – also einen Tag zuvor – darauf geeinigt, zumindest bis nach dem Mittagessen alles durchzuführen, weil der Gottesdienst drinnen stattfinden würde, der Ballonstart nicht so lange wäre, und man anstatt auf Biertischgarnituren auch mal auf den Hockern essen könnte.. drinnen, anstatt draußen.

 

Und schließlich stellten wir fest, dass zwar Kinder gekommen waren, aber im Verhältnis so wenige (100 statt 300), dass wir auch die Spielestationen kurzfristig nach drinnen verlegen konnten – was sehr gut war!

 

Und alle hatten Spaß, allen ging es ziemlich gut, der Ablauf war reibungslos, der Aufbau war – bis auf die Technik kurzzeitig – reibungslos und die Mitarbeitenden super gut vorbereitet.

 


Das Kinderfest.

 

Ich will gar nicht so viel zu dem Tag selbst schreiben.

 

Denn der Tag selbst, war sehr sehr kurz im Vergleich zu den Monaten an Vorbereitung und den vielen Stunden, die ich getippt und gedacht habe.

 

Es war ein sehr schöner Tag und vermutlich würde ich es wieder machen und nicht nur, weil ich so viel gelernt habe, sondern auch weil ich es mir noch deutlich stressiger und ärgerlicher vorgestellt hatte, als es tatsächlich war.

Aber das war es auf jeden Fall.

Ich möchte es niemandem raten neben einer 25% Stelle und einem Vollzeitstudium, sowie regelmäßiger ehrenamtlicher Arbeit und Freunden und Hobbys noch eine solche Veranstaltung zu planen, wenn man es noch nie gemacht hat.

 

Keine Frage: Ich hatte super geniale Mitarbeitende! Super tolle Menschen, die mitgedacht und mitgemacht haben, aber diese Verantwortung zu tragen, wenn man gerade noch so viel anderes trägt.. das empfehle ich niemandem sofort zu tun.

 

Trotzdem wird es als sehr lehrreiche und wundervolle Zeit zwischengespeichert werden.

 

Mein Holunderblütentee hat nun lange genug gezogen.

Ich schreibe jetzt mit lieben Menschen, höre Musik oder schaue einen Film und tu mir gut, weil ich nächste Woche noch die Getränke zurückbringen muss, die Abrechnung machen, Material zurückräumen, den Bully zurückbringen, sowie eine Hausarbeit und einen Praktikumsbericht schreiben.

Außerdem kommen liebe Menschen aus dem Urlaub zurück, anderen helfe ich beim Umziehen und ein Vorstandsprotokoll wartet auch noch.

 

In zwei Wochen mach ich mal Urlaub.

 

 

Vielleicht.

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