Geht es dir gut?


Und sofort – wirklich instant – gehen bei mir da zwei Schienen in meinem Kopf auf:

 

Ehrliches Interesse und nervige Höflichkeit.

Ich würde von mir nicht behaupten, dass ich höflich bin.

Also ich kann höflich sein, aber im Alltag nicht so gut.

 

Ich kann mich daran erinnern, dass meine Schwester und ich bei den Besuchen meiner Tante gerne in ihrem kleinen Gemischtwartenladen die Regale neu befüllten. Da dieses Geschäft in einem schnuckeligen Dorf war, kannte man sich natürlich untereinander. Und es gehörte dazu die eintretenden Kunden zu begrüßen und zu verabschieden. Und ich fand das irgendwie unangenehm. Ich kann nicht genau sagen, warum. Ich fand es z.B. nicht unangenehm, wenn ich gefragt wurde, ob ich die große oder kleine Tochter meiner Mutter (die aus diesem Dorf stammte) wäre. Gerne beantwortete ich alle Fragen zu ihr, meiner Schwester, wo ich zur Schule ging etc. Aber dieses gezwungene Begrüßen und Verabschieden.. ich mochte es einfach nicht.

Und immer noch nicht: Derzeit halte ich mich häufiger in einer WG auf in der es dazu gehört kurz zu rufen, dass man jetzt da ist, oder gerade geht; schnell noch den Kopf in die Küchentür streckt und sich verabschiedet. Und wann immer es geht, drücke ich mich davor. Obwohl ich alle dort anwesenden und wohnenden Menschen wundervoll finde. Aber ich schleiche mich lieber davon und bin einfach da. Auch auf Geburtstagen, oder anderen Veranstaltungen.

 

In zwei Phasen meines Lebens trat ich in christlich-soziale Vereine ein und war dort neu. In diesen Gruppierungen war ich zum einen sehr freundlich zu den Menschen, aber konnte gleichzeitig auch kindisch und ein bisschen aufgedreht sein, auch mit eventuellen Fluchtiraden. Und das war ok so. Für alle. Aber ich war eben auch dann in einer Rolle in der ich höflich sein wollte (zumeist). Zuhause war beim Abendessen immer noch kein Bitte zu hören, wenn ich die Butter haben wollte. Und ist es heute immer noch selten. Weil ich es impliziere, weil ich eine Sicherheit mit diesem sozialen Umfeld verbinde in dem diese aufgesetzte Höflichkeit nicht wichtig ist.

Ich wollte nicht aus Prinzip unhöflich sein, aber für mich war das einfach selbstverständlich freundlich gemeint. Das meine Eltern mir das dann „beibringen“ wollten und mich immer öfter darauf hingewiesen haben, hat eher zu einer Trotzreaktion beigetragen, so dass ich es wirklich nicht mehr benutzen wollte. Und ab da Höflichkeit generell in Frage gestellt habe. Mit etwa 10 Jahren.

 

Nun. Aber eigentlich geht es ja darum, ob es mir gut geht.

Vielleicht ahnt es der, oder die ein oder andere schon: Smalltalk ist so gar nicht mein Ding.

Entweder ich interessiere mich für eine Person oder ein Thema, und dann will ich auch alles wissen, oder nicht. Und dann will ich auch nicht aus Höflichkeit an der Oberfläche kratzen. Das kann ich ganz schlecht und übertrete bei neuen Bekanntschaften schnell einen sensiblen Punkt.

Smalltalk ist einfach super nervig.

Dann lieber gar nicht reden, sondern in Übereinstimmung nebeneinander schweigen, wenn man nicht schnell ein für beide interessantes Thema findet.

 

Und dann die Frage, ob es mir gut gehe. … Ja? Nein? … Selten antworte ich mit einem Wort darauf. Außer ich fühle mich durch Person und Situation in einem Smalltalk.. dann ist es zumeist ein „ja“, oder wenn es mir ziemlich schlecht geht auch ein „hm“, „joa“, „passt schon“, „muss ja“.

Aber wenn es dich nicht interessiert warum fragst du denn, weil, wenn ich nicht mit ja antworte, ist es unhöflich darüber hinweg zu sehen...

Es ist ein Teufelskreis des Desinteresses. Es gibt auch schöne andere Gesprächsopener. Bestimmt. Für Leute, die Smalltalk haben möchten.

 

Ich wünsche mir, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, dass ich dann anfangen kann zu erzählen, wie meine letzte Zeit war, was ich an dem Tag gemacht habe und weshalb es mir gerade so geht, wie es mir geht. Sonst hat es ja keinen Wert.

Ein „gut“ kann ja ein „wieder gut“, „gerade noch gut“, oder „super gut“ sein. Und dann will ich auch die Geschichte dahinter wissen.

Was bringt es mir zu wissen, dass es dem anderen gut oder schlecht geht, wenn ich nicht weiß woran es liegt und ob ich nicht eventuell zu einer Veränderung beitragen kann, oder mich aus Gründen mitfreuen kann.

 

Ich weiß, dass das bei anderen Menschen anders ist und sie gut begründen können, warum sie das im Smalltalk fragen, und dann ggf. auch nicht nach den Geschichten dahinter fragen.

Aber für mich ist das so.

Und wie eventuell schon häufiger angemerkt: Hier wird meine Meinung und Sicht auf die Welt vertreten. Und ich zeige dir hier einen intimen Ausschnitt aus meinem Leben. Nicht meines Ausschnitts. (xdddd)

 

Vor allem weiß ich häufig nicht, wie es mir geht. Ich muss erst kurz nachdenken. Weil ich eher Gedanke, als Emotionen mit mir herumtrage.

Das hat irgendwann angefangen und manchmal ist es besser und manchmal fühle ich auch gar nichts. Was ich immer sehr beängstigend finde. Das geschieht auch nur in super krassen Momenten und Situationen, wenn auch sonstige Abwehr- und Schutzmechanismen triggern. Bisweilen kann es aber einige Wochen anhalten.

Und dann kann ich einfach nicht sagen, ob es mir gut geht oder nicht.

Ich kann dann sagen, ob ich gerade funktioniere und meine To Do's abgearbeitet bekomme und wie es den Menschen in meinem Umfeld geht. Aber mir selbst? .. Keine Ahnung.

 

Es gibt auch Menschen, die ich frage, ob es ihnen gut geht, weil sie mich wirklich interessieren.

Und einige davon antworten nie mit ja.

Das versetzt mir Stiche. Und obwohl ich nicht dafür verantwortlich bin möchte ich etwas ändern, denn es fühlt sich auch für mich schlecht an.

Kann ich natürlich meistens nicht.

Dann frage ich manchmal nur noch, ob es gerade in Ordnung oder aushaltbar ist.

Bei manchen ist das für mich schon gut. Weil ich mich dann zumindest nicht sorgen muss.

 

Und bei anderen heißt ein „passt schon“, dass es ihnen sehr gut geht. In meiner Heimat ist es regional bedingt, dass wenig gelobt wird. „Ned gmotzt is gnug globt“ (Nicht gemeckert ist genug gelobt). Passt schon hieß dort, dass es gut geht. Da nichts auszusetzen ist.

 

In anderen Situationen stelle ich allerdings fest, dass zu wenig gefragt wird, ob es Menschen gut geht.

Es kann Anteilnahme, Besorgnis und Fürsorge zeigen.

Dass man Menschen wichtig ist und sie sich mit einem beschäftigen wollen, sodass man sich allein durch die Frage wertgeschätzt fühlt.

Und sich dann in Umarmungen flüchten darf, wenn es nicht gut ist.

Das ist etwas sehr Trost spendendes. Sofern es ernst gemeint ist.

Ab und an nutze ich aber Smalltalk-Momente in denen ich unbedingt erzählen muss, wie es mir wirklich geht (an schlechten und sehr guten Tagen) einfach aus. Und beginne mit einem Erzählschwall, der für das Gegenüber schnell überfordernd wirken kann.

So erzählte ich einmal einem Dozenten all meine Sorgen auf diese unvorsichtig gestellte Frage. In einem Monolog von 15min. … Nun.

Allerdings mache ich solche Dinge auch nur, wenn es mir gerade sehr wichtig ist und ich das Gegenüber so einschätze, dass es nur eine sehr kurzfristige Überforderung in Form von Überraschung davonträgt.

 

So.

Und nun?

Mir fällt immer mehr auf, wie meine Blogs keinem roten Faden folgen und selten einen abschließenden Punkt haben.

Aber man lernt meine Sichtweise kennen.

Ist ja auch was.

 

Von daher – Gruß und Kuss, baba.

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Kommentare: 1
  • #1

    Flusensieb (Freitag, 16 November 2018 06:54)

    Ach ja, Smaltalk ist fast immer schrecklich für alle beteiligten. Ich hab es auch mal mit Metasmalltalk versucht ist aber trotzdem Smalltalk war also schrecklich.